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Das triste Leben schön getrunken? Zum Alkoholkonsum in der DDR

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Storchennest

Zwar hat das Spiel “Storchennest” mit Alkohol nichts zu tun, doch auch hier steht – wie bei vielen Spielerunden in der DDR – die Flasche im Vordergrund. Von vielen Bastlern hörten wir, dass Spieleabende nicht selten mit einem geselligen Tröpfchen begossen wurden und in der NVA haben die Soldaten beim heimlichen Monopoly-Spiel getrunken – beides war verboten. Mehr zum Alkoholkonsum in der DDR…

1988 konsumierte ein DDR Bürger im Durchschnitt 16,1 Liter harten Alkohols (Weinbrand, Klarer, Likör). Das sind 23 Flaschen pro Kopf. Auch die durchschnittliche Konsummenge von Bier wuchs stetig – von 68,5 Litern im Jahr 1950 stieg der Konsum auf 146,5 Liter im Jahr 1989 – eine weltmeisterliche Zahl. Diese Statistiken offenbaren vor allem dadurch ihre große Ironie, da nach offizieller Doktrin der übermäßige oder gar krankhafte Alkoholkonsum “dem Sozialismus wesensfremd” war oder als Überbleibsel “vorsozialistischer Vergangenheit” und “Überrest des Kapitalismus” galt.

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Die Realität der Betriebe sah jedoch anders aus. Kein Warenangebot der DDR “zeigte sich so bunt, optisch ansprechend und immer verfügbar wie das Schnapsregal. An Alkohol mangelte es der Mangelgesellschaft nie.”1 Neben der Zugänglichkeit ist auch der i.d.R. günstige Preis ein Aspekt, der immer wieder die Spekulation zulässt, dass die kollektive Berauschung von Seiten des Staats nicht ungewollt gewesen sein mag. Jedenfalls waren Alkohol und sein regelmäßiger Konsum fest im Gesellschaftsbild der DDR integriert und damit weit weniger im Verruf als heute. Das “Bierchen” zum Mittag, das gesellige Trinken eines “Schnäpschens” nach Feierabend und sogar die Trinkexzesse der Minderjährigen zur Jugendweihe galten als durchaus legitim und waren nicht mit dem Bann des Unanständigen oder Krankhaften stigmatisiert. Ethnologe Thomas Kochan sieht die primären Gründe für der Begünstigung regelmäßigen oder täglichen Alkoholkonsums in der geringen Motorisierung (es galt die 0,0 Promille-Grenze), dem gemächlichen Lebenstempo, geringem Leistungsdruck, günstigen Preisen und einem ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl.2

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"Storchennest” ist ein Geschicklichkeitsspiel zu dem man einen wachen Geist und vor allem eine ruhige Hand mitbringen sollte.  Es gewinnt die Person, die zuerst all ihre Streichhölzer los bekommt. Dies geschieht indem alle Spieler eben dieses Nest aus Streichhölzern auf dem Kopf der Limonadenflasche(!) aufbauen. Die Chancen als Sieger hervorzugehen, wachsen mit dem Alkoholpegel bestimmt nicht – nur vielleicht der Spaß. Ob die Macherin dieses Nachbaus von 1976 sich zum Spielen auch einen genehmigt hatte wissen wir nicht. In jedem Fall sagen wir herzlichen Dank und zum Wohl!

Zum Text “Alkohol und Alkoholrausch in der DDR” von Thomas Kochan geht es hier.

 

Autor: Martin

1KOCHAN, Thomas, “Alkohol und Alkoholrausch in der DDR”, http://www.stiftung-aufarbeitung.de/uploads/pdf/kochan.pdf 
2 Vgl. Ebd.

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