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Friedliche Koexistenz oder doch die Bombe?

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BOMBE (Stratego)

“Das sozialistische Deutschland tritt als Staat des Friedens vom ersten Tage an für Abrüstung, Entspannung und friedliche Koexistenz, gegen einen neuen Krieg, gegen nuklearen Völkermord ein.”1

 

 

Dieser Satz vom 35. Jahrestag der Staatsgründung der DDR verdeutlicht das Selbstbild, dass die DDR von sich zu zeichnen versuchte: das Bild eines friedfertigen, antiimperialistischen und auf internationale Verständigung besonnenen Staates, der auf Solidarität und friedliche Koexistenz aus ist. Folgt man dabei der offiziösen Literatur – so schreibt es Herrmann Wentker – trifft man drei Formen der Beziehung die unterschiedlicher Gewichtung unterlagen: Zu Oberst standen die Beziehungen zu den östlichen Bündnispartnern, insbesondere der Sowjetunion, an zweiter Stelle folgte das Verhältnis zu Entwicklungsländern und erst nachrangig folgten die Beziehungen zu nichtsozialistischen Ländern.² So hieß es zumindest offiziell. Angesichts der Bedeutung, die schon allein die Bundesrepublik für die DDR hatte – nicht nur außenpolitisch, sondern auch durch kulturhistorische Verbundenheit und ganz unmittelbar menschliche Beziehungen – wird deutlich, dass jene theoretische Maxime nicht der Praxis entsprach. 

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Zwei unterschiedliche Systeme installiert und ein Volk in zwei geteilt – 1949 wollten beide Seiten die Wiedervereinigung, freilich unter anderen Bedingungen und Vorzeichen. Während der Westen mit der Starthilfe des “Marhall-Plan” in Kürze die Wirtschaft aufbaute und dem Staat zügig Souveränität zugesprochen wurde, befand sich der Osten in völliger Abhängigkeit von der Sowjetunion. Die Anerkennung als eigenständiger Staat avancierte schnell zum Kernziel der DDR. Dabei ging es sowohl darum, gegenüber der Bundesrepublik und der internationalen Staatengemeinschaft Legitimation zu erlangen, als auch zumindest ein Stück weit aus dem dominanten Schatten der Sowjetunion zu treten. So zeigt sich im Rückschau auf die Geschichte immer wieder, dass die Entwicklungen der DDR unter starker Lenkung und Einflussnahe der Sowjetunion standen, sich jedoch daneben innerdeutsche Beziehungen entwickelten. So fügte sich Honecker beispielsweise der Moskauer Anweisung und verschob mehrfach das Treffen mit Bundeskanzler Helmut Schmidt, dass er im Zuge der Entspannungspolitik einberufen hatte. Als es Anfang der 80er Jahre letztlich zu den Treffen kam, wurden Milliardenkredite beschlossen und gelockerte Reise- & Besucherverkehrsregelungen ausgehandelt. Gerade das anhaltende “Wettrüsten” entwickelte sich allem voran für die das deutsche Gebiet, dass ja den unmittelbaren Berührungspunkt des Kalten Krieges darstellte, mehr und mehr zum politisches Dilemma. Im Zuge des Nachrüstungsbeschlusses des Deutschen Bundestages vom 22. November 1983 bezeichnete Honecker, bei der darauffolgenden ZK-Sitzung die sowjetische Antwort, ihrerseits weitere Raketen in der DDR zu stationieren, als zwar notwendig, aber keineswegs begrüßenswert.³ So scheinen im Rückblick die Grundvoraussetzungen zur Etablierung eines eigenen, unabhängigen und legitimierten Staates von Anbeginn schwierig gewesen zu sein – war man doch abhängig von der starken Sowjetunion und hatte das kapitalistische Ausland doch gleich vor der Haustür.

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Wollte man diese Ausgangslage in einer Spielanordnung darstellen, wählte man vielleicht das Spiel Stratego – nur dass hier keine Mauer zwischen den beiden Seiten steht und hier aus dem Kalten Krieg ein heißer wird: Auf einem (Schlacht)feld, stehen sich Armeen gegenüber. Jede Armee besteht aus 40 Figuren. Jede einzelne symbolisiert einen Dienstrang, der allerdings gegenüber dem Gegenspieler zunächst geheimgehalten wird. Nun gilt es, mit strategischer Achtsamkeit den Gegner anzugreifen und dabei mit einer ranghören Figur eine rangniedrigere auszuschalten. Wer zuerst die gegnerische Fahne in die Finger bekommt gewinnt – doch Vorsicht: auch eine Bombe kann sich auf dem Feld verbergen, die den Angreifer mit einem Schlag auslöscht. Die Parallele ist deutlich – es stehen sich zwei feindlich gesonnene Seiten gegenüber, die Fronten sind hochgerüstet und der Spieler schlüpft in die Rolle der Großmacht, die die Armee führt und den Sieg zu erringen versucht.

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Ob Tobias diese politischen Parallelen mitgedacht hat, als er als Kind in den 80er Jahren das Spiel Stratego nachbaute und in “Bombe” umtaufte? Sicher ist, dass Tobias aus einer explizit pazifistischen Familie kam und Kriegsspiele im Haus eigentlich untersagt waren. Dies galt im Übrigen für die gesamte DDR, wie wir bereits im letzten Beitrag zu “Krieg und Spiel” feststellten. Doch da Tobias`Vater in Kürze, die spielerische Qualität von Stratego erkannte und einsah, welchen Wert dieses Spiel, unabhängig von seinem militärischen Szenario, mit sich bringt, erlaubte er seinem Sohn mit “Bombe” zu spielen. Damit bestätigt dieses Beispiel, dass nicht allein in den großen politischen Zusammenhängen, sondern auch im privaten, nicht selten ein Unterschied zwischen dem eigentlichen Ideal und der Praxis herrscht. Nur können wir alle ernsthaft froh sein, dass die Bombe nur auf Tobias’ Spielbrett zündete und der Kalte Krieg kalt geblieben ist.

 

Eine der größten Stratego-Sammlungen überhaupt sehen Sie im Übrigen bei der Europäischen Spielesammlergilde.

Autor: Martin

 

 

1 Aufruf zum 35. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, in: Neues Deutschland vom 21./22. Januar 1984, S.1.
2 Vgl. WENTKER, Hermann, “Für Frieden und Völkerfreundschaft?”, in: GROßBÖLTING, Thomas [Hrsg.], “Friedensstaat, LEseland, Sportnation?” S. 155-176, bpb, Bonn 2010.
3 Vgl- Ebd..

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