Quartett
Wenn es die DDR Spieleproduktion in einer Sache zu loben gilt, dann im Hinblick auf ihre Quartett-Spiele. Sie hatten nicht selten lehrenden Charakter und waren oft hochwertig illustriert und gestaltet. Die Themengebiete, welche die bunten Karten zierten, waren meist Motive aus Natur, Geschichte und Fahrzeugtechnik. Trotz der hohen Qualität wurden auch eigene Karten gebastelt. Warum eigentlich?
Es gibt verschiedene Wege ein Quartett Spiel zu spielen. Zwei Varianten haben sich vor allem durchgesetzt. Zum einen ist da die klassische Spielvariante für drei oder mehr Spieler in der es darum geht Kartenreihen von vier zusammenpassenden Motiven durch geschicktes Fragen oder Ziehen vom Gegenspieler zu bekommen. Wer am Ende die meisten Quartette beisammen hat gewinnt das Spiel. Die andere Variante, die auch zu meiner Schulzeit ausgesprochen beliebt war, verabschiedet sich vom klassischen Quartett-Gedanken. Vielmehr misst man sich mit seinen Gegenspielern anhand gewisser Parameter des Kartenmotivs. Besonders etabliert waren damals die Autokarten, wo Baujahr, Hubraum, PS und km/h die Güte des abgebildeten Fahrzeugs ausmachten. Geschicktes Ausspielen der stärksten Fähigkeiten führte hierbei zum Sieg.
Entstanden ist diese Spielform nicht in der Bundesrepublik, wie manch einer vielleicht spekulieren würde, sondern sie kam aus dem führenden Quartett-Betrieb: ASS – Altentburger Spielkarten (Damals: VEB Altenburger Spielkartenfabrik, Altenburg Thüringen). 1952 wurde dort neben der Fertigung von klassischen Quartettspielen, mit der Fertigung von eben jenen Trumpfkarten begonnen. Aufgrund der lange Zeit jedoch recht eingeschränkten Bandbreite an Themengebieten, setzte sich schnell eine Bezeichnung für diese Spielform durch: Autokarten.
Autokarten gingen auch neulich in unsere Sammlung ein. Nur zeigte sich auf den ersten Blick, dass wir es nicht mit hübschen Illustrationen zu tun haben. Ganz im Gegenteil, die Erscheinungsform der Karten unterstreichen, worum es bei diesem Spiel geht: Um die harten Fakten. Diese sind mit Schreibmaschine in die altweißen Pappkarten gehämmert. Und auch wenn wir diese Karten innerhalb unserer Sammlung scherzhaft als Autokarten bezeichnen, zeigt sich schnell, dass es eben nicht um Autos geht. Hinter dem Spiel verbergen sich in Wahrheit zwei individuelle Kartendecks. Das eine versammelt die flottesten Zweiräder der damaligen Zeit, das andere die mächtigen Flieger. Das militärische Transportflugzeug Antonow An-12 misst sich mit dem Passagierflieger Tupolew Tu-124 und die Ural 3 vergleichen die Spieler mit der MZ 250. Doch sah Tobias, der Bastler der Karten, keine Veranlassung sich bei den Fortbewegungsmitteln und ihren Daten auf den Ostblock zu beschränken. Neben den sowjetischen Fliegern mischt der Spieler bei diesem Deck auch eine Boing 747 oder eine Handley Page Herald mit ins Deck. Und die roten Zweiräder bekamen mit einer Suzuki GSX 1100, Honda 1000 oder Moto Guzzi V7 auch scharfe Konkurrenz.
Mit diesem Beispiel zeigt sich abermals, dass die Grenzen mit denen es der DDR Bürger regelmäßig zu tun bekam, im Spiel ausgeweitet werden konnte. Auch wenn Tobias wohl damals nicht so einfach eine Moto Guzzi V7 hätte fahren können, konnte er zumindest von ihren 70 PS beim Kartenspiel träumen. Der Spielvielfalt war durch den Willen und eigenen Erfindergeist keine Grenze gesetzt.
Dass sich dieses Kartenspiel-Prinzip auch noch heute stets verändert und in neuen Erscheinungsformen zu Tage tritt, offenbart die Qualität dieser simplen Spielidee, immer neue Welten zu kreieren. Um Autos, Flugzeuge und Motorräder geht es dabei längst nicht mehr allein: Seit einigen Jahren veröffentlicht die Firma Weltquartett eher zynische (jedoch nicht minder lehrreiche) Quartett-Spiele, darunter das Tyrannenquartett, das Seuchenquartett und das Rauschgiftquartett. Damit lebt dieses klassische Spielprinzip fort und wird gewiss noch in weitere Themengebiete Einzug halten.
Autor: Martin
das spiel hört sich interessant an, ich werde es mal mit freunde testen :) danke fürs sharing !
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