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„Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen?“¹

Nachgemacht - Spielekopien aus der DDR: Urspiel - „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen?“

URSPIEL

Walter Ulbricht formulierte 1965 auf dem XI. Plenum des ZK der SED weiter: „Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“(1) Cynthia Schönefeld legt in ihrem Artikel unseres Buches dar, dass bei der Spieleherstellung diese Vorgabe nicht eingehalten wurde.


 
Nachgemacht - Spielekopien aus der DDR: Urspiel - „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen?“ Das einführende Zitat Walter Ulbrichts kann hier nachgehört werden: Originalstimme Walter Ulbricht. Das von erwähnte „Je-Je-Je“ spielt auf den Beatles Song „Yeah Yeah Yeah“ an und war offenbar nicht auf der Playlist des damaligen DDR Staatsoberhauptes.

In der DDR wurden reihenweise Spiele kopiert. Was sagt das also über die Spielelandschaft der DDR aus und über die selbstgewählte Vorgabe Ulbrichts, mit jener kulturellen „Monotonie“ Schluss zu machen? Cynthia Schönfeld ist Direktorin des Deutschen SPIELEmuseum Chemnitz und schrieb für unser Buch „Nachgemacht – Spielekopien aus der DDR“ einen Text, der eben jene Frage beantworten soll. Sie beginnt damit über die Staatlichen Rahmenbedingungen zu schreiben, die mit immer neuen Umstrukturierungen zu kämpfen hatten. Nach den anfänglichen Umwälzungen der Nachkriegszeit und zahlreichen Verstaatlichungen erfolgte 1950 eine kritische Bestandsaufnahme der Spielwarenindustrie:
Das Ergebnis zeigte einen großen Rückstand „hinsichtlich einer effektiven Produktion und ein geringes Niveau des wissenschaftlich-technischen Fortschritts sowohl bei den Produkten als auch bei den Herstellungstechnologien.“ (2) […] Eine tiefgreifende Umstrukturierung brachte 1981 die Auflösung des VVB Spielwaren und die Schaffung des VEB Kombinates Spielwaren Sonneberg. Insgesamt waren 27.000 Mitarbeiter in 31 Betrieben mit 900 Betriebsteilen in diesem Kombinat organisiert. Das Kombinat erwirtschaftete 90,6% der Spielwarenproduktion der DDR. Auch der Hauptproduzent für Gesellschaftsspiele, der VEB Spielewerk SpiKa in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) gehörte bis 1989 zum VEB Kombinat Spielwaren Sonneberg.
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Nun könnte man meinen, dass die nach 1950 vorgenommenen Änderungen eine fruchtbare Industrie hervorbrachten und das „geringe Niveau“ angehoben wurde. Technologisch, sowie inhaltlich konnte man jedoch nach wie vor nicht mit der Qualität westlicher Produkte mithalten. Themen der Spiele, so Schönfeld, waren zu 80% auf Kinder zugeschnitten, die den Bildungs- und Erziehungsprozess im sozialistischen Sinne zu fördern hatten (3). Spiele für Erwachsene gab es nicht, zum Einen durch die schwierigen Produktionsbedingungen, aber auch fehlender Kreativität innerhalb der Betriebe. Ideen mussten her und für diese gab es nicht wie heute einen Überschuss an Spieleautoren, die mit ihren Vorschlägen auf den Markt drängten.
Spieleautoren wie wir sie heute kennen gab es nicht. Dafür gab es in einem Betrieb die Abteilung Forschung und Entwicklung — bei SpiKa bestand sie aus zwei bis drei Personen, oft fachfremd, die die Aufgabe hatten „einfach neue Brettspiele [zu] entwickeln, die produktionstauglich waren” (4)
Wenn es dann neue Ideen gab, mussten diese von zahlreichen Gremien genehmigt werden und bis es eine Idee in die Produktion schaffte, vergingen oft Jahre, wie wir im Interview von Lothar Schubert erfuhren (Hier klicken, um das Interview mit ihm zu sehen). Wenn es dann noch in Ausnahmefällen gut produziert wurde und sich von den anderen Spielen in Idee und Qualität abhob, dann wurde es exportiert und war für die Bürger der DDR unerreichbar. Das bestätigt Bernward Thole in seinem Text in unserem Buch, der in der DDR eine Ausstellung mit spielen der DDR machte, die er aus der Bundesrepublik mitbrachte und die im Land ihrer Herstellung niemand kannte. Das Fazit Schönfelds fällt daher eher nüchtern aus:
Insgesamt war die DDR-Spieleproduktion — trotz Modernisierungsbestrebungen wie Einführung von Elektronik bei Spielen — nicht konkurrenzfähig.
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Die Reaktion der DDR Bürger war geradezu vorprogrammiert, denn was es nicht gab, das wurde improvisiert, selbstgebastelt und nachgemacht. Die 125 Spiele unserer Sammlung sind der trotzige Ausdruck der Bastler, sich von den Vorgaben des Staates nicht einschränken zu lassen. Das Urspiel von Wolfgang Großkopf hätte es so in der DDR nie geben können. Das detailliert gestaltete Brettspiel des umtriebigen Sammlers, Bastlers und Zauberkünstlers unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von dem, was damals auf den Markt kam: Es ist aus Holz, damit robust und wäre für die industrielle Produktion viel zu teuer gewesen; es ist abstrakter und anspruchsvoller als ein Kinderspiel, was die Chancen produziert zu werden zusätzlich gemindert hätte; es gehört(e) Ravensburger, womit man sich die Lizenz erst hätte erwerben müssen. Trotzdem! Großkopf bastelte das Spiel, denn in seiner Spielwelt gab es keine Grenzen. 

Autor: Geis
 
(2) Bernd Havenstein: DDR Spielzeug, Köln 2007, S. 11
(3) Sylke Fritzsche: Zur Soziologie des Spiels, Diplomarbeit, Che mnitz 2001, S. 85
(4) Sylke Fritzsche: Zur Soziologie des Spiels, Diplomarbeit, Che mnitz 2001, S. 85








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