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40 Jahre Frieden fordern – und was nu?

Nachgemacht - Spielekopien aus der DDR: 40 Jahre Frieden fordern – und was nu? - Lettera
LETTERA

An diesem Wochenede feierte das christliche Friedensseminar Königswalde sein 40. Jubiläum. Zumindest war es das, was ich erwartete. Doch statt einer großen Sause besuchte ich eine Veranstlatung, die sich lieber inhaltlich vertiefte und den Friedensdienst der Kirche hinterfragte. Ein bisschen zu viel Selbstbescheidenheit, war doch dieses Seminar eines der ersten seiner Art und ein Ausgangspunkt der friedlichen Revolution. Grund genug die Frage zu stellen, wie es weiter geht.


1973 trafen sich einige junge Menschen in der Dorfkirche von Königswalde, um Friedensarbeit zu leisten. Das verschlafene Dorf zählte damals etwa 350 Einwohner und fiel den meisten Besuchern nur durch die idyllische Lage im Erzgebirgsvorland auf. Zwischen begrünten Hügeln sticht seit schätzungsweise 800 Jahren die Kirche des Dorfes heraus, die damals wahrscheinlich als Wehrkirche zum Schutz vor in Kriegszeiten einfallenden Armeen erbaut wurde. In den 70er Jahren nun, als der kalte Krieg und ein gegenseitiges Wettrüsten der verfeindeten Staaten in vollem Gange war, wurde diese Kriche zum Zentrum von Menschen, die sich gegen dieses Treiben wehren wollten -- auf friedliche Art und Weise. Themen waren die Stationierung von Luftabwehrraketen, der Wehrkundeunterricht an Schulen und im Laufe der Jahre auch die im Nachhinein als friedlich bezeichnete Revolution - Ihr Leitspruch "Schwerter zu Pflugscharen". Es ist wohl die größte Errungenschaft dieser Bewegung und ihrer gleichgesinnten in vielen anderen Orten der DDR, dass diese Demonstrationen ohne Gewalt abliefen.

Freie Presse: Christlichen Friedenssemniar Königswalde
(Das Friedensseminar in den 80er Jahren. Quelle: Freie Presse, Link zum FP-Artikel hier)

Der Ablauf des christlichen Friedensseminares Königswalde hat sich in den Grundzügen seit 40 Jahren nicht geändert. Zweimal jährlich, im Frühjahr und Herbst kommt man an einem Samstag 14 Uhr zusammen und hört ein Referat, welches dieses Mal von Dr. Uwe-Karsten Plisch gehalten wurde. Der Vorsitzende der Evangleischen StudentInnengemeinde hielt einen Vortrag mit dem Titel "Kriegsdienst als Gottesverachtung - Auf dem Weg (zurück) zu einer Kriche des Friedens". Im Anschluss daran erfolgt das gemeinsame Kaffeetrinken und Kuchenessen, gefolgt von einer Gruppenarbeit, in der man das Referat und persönliche Fragen dazu vertiefen kann. Gegen 17 Uhr dann stellen sich der Referent und weitere Vertreter zum Thema einer Podiumsdiskussion, bei der die Ergebniosse der Gruppenarbeit vorgebracht werden und Ideen zu konkreten Aktionen eingeworfen werden. Es folgt das Abendbrot, eine kulturelle Abendveranstaltung und eine abschließende Andacht. 

Das Seminar lebt von der Vielfalt seiner Besucher. Auch wenn die Zahl der Gäste in den Jahren nach der Wende drastisch zurück ging, von mehreren Hundert auf immerhin noch 60-80, so hat sich die Diversität von Meinungen und Ansichten nicht gewandelt. Theologen, Politiker, Arbeiter, Studenten und immer zahlreicher werdenende Rentner, diskutieren, schimpfen, loben, träumen und sind immer noch ein bisschen idealistischer, als man es erwarten würde. Was im Referat noch provokant präzise formuliert wurde, wird in der Gruppenarbeit eben jenen vielfältigen Meinungen preisgegeben, die eben schon erwähnt wurden. Das Gespräch wirkt weitschweifig, unkonzentriert und alles andere als zielführend, wobei sich für den Außenstehenden immer wieder die Frage stellt - wo ist eigentlich dieses "Ziel"?

Das Friedensseminar muss sich auch nach 40 Jahren nicht verjüngen, aber es braucht eine klar formulierte Absicht, was in den nächsten 40 Jahren passieren soll. Und genau an diesem Punkt wird Bescheidenheit zu mangelndem Selbstbewusstsein. Immer wieder werden Rufe nach Vernetzung laut, nach dem Verfassen konkreter Schriften, nach dem "Laut-werden-wollen". Doch diese zerstreuen sich zwischen vielen anderen Wortmeldungen. Das Friedensseminar wirkt etwas zu wild auf seine alten Tage. Ich als jemand, der damals selbst nicht dabei war, könnte sich hier auch gut einen Haufen ambitinionierter 68er vorstellen, die sich jeglicher Struktur verweigern wollen. Die Vielzahl der Handlungsmöglichkeiten und die Überzahl der Ideen als christliche Friedensbewegung aktiv zu werden, müssen geordnet werden transparent gemacht, zum Beispiel mit digitalen Mitteln, und kontinuierlich fortgeführt werden. Nur so wird es dieses Seminar auch noch einige Jahrzehnte länger geben. “Wir sind ein kleines Häufchen, aber wir haben viel erreicht” schallt es bei der konkreten Nachfrage nach den Errungenschaften heraus. Und Genau dieses Selbstbewusstsein wünscht man sich. 

Das Friedensseminar zeigt, was Kirche auch noch sein kann, eine Philosophiestunde. Dabei stellt man nicht nur sich selbst, oder die Politik in Frage, sondern auch den Glauben und die Kirche selbst. Ohne Rücksicht auf inhaltliche Ausrutscher wird behandelt, was die Menschen bewegt und interessiert. Genau hierin besteht das unglaubliche Potenzial dieser halbjährlichen Treffen, denn man erhält schnell einen sehr persönlichen Zugang zu diesen Menschen, die eben keine verschworene dörfliche Gemeinschaft sind, sondern eine offene kirchliche Gemeinde von Menschen, die pazifistische Ideen vertreten. Wenn man es jetzt noch schaffen könnte, dieses Ideen auf einen Nenner zu bringen könnten diese Treffen nicht nur nach innen, sondern auch nach außen hin fruchten. "Mit Frieden machen haben wir so lange wir Menschen sind zu tun", hallt es aus einer Ecke - die Leidenschaft ist noch immer da. 

Antworten auf die im Seminar aufgeworfenen Fragen finden viele für sich immer wieder in ihrem Glauben. "Überwinde das Böse durch das Gute", erinnert sich einer der Teilnehmer an einen für ihn sinngebenden Bibelspruch und fügt hinzu: "Das geht gar nicht. Gutes und Böses klar unterscheiden zu können ist zu idealistisch gedacht. Jeder Mensch trifft für sich selbst eine Reihe von Entscheidungen und die Frage ist, wie verhalte ich mich dazu." Damit formuliert er eine der Grundlagen des Spiels, die schon Martin Böttger im Interview zu Bürokratopoly festhielt, als er sagte, dass Spiel für ihn vor allem durch verschiedene Optionen zu Handeln geprägt ist. 

Nachgemacht - Spielekopien aus der DDR: 40 Jahre Frieden fordern – und was nu? - Lettera     Nachgemacht - Spielekopien aus der DDR: 40 Jahre Frieden fordern – und was nu? - Lettera

Bei dem Spiel, welches wir heute vorstellen, handelt es sich um einen alten Nachbau der 60er Jahre von Wolfgang Großkopf. Er bastelte Lettera nach, bei welchem zwei Spieler, wie beim Schiffeversenken, jeweils ein sichtgeschütztes Tableau mit Buchstaben vor sich haben. Nun wählt Einer einen Buchstaben aus und legt ihn an beliebiger Stelle in das leere Raster auf seinem Spielbrett und sein Gegner muss das mit dem gleichen Buchstaben machen, sieht jedoch nicht, wohin der andere diesen legt. Nun wählt Spieler Nummer 2 einen Buchtaben aus und so geht es hin und her, bis das Raster voll ist. Wer am Ende die meisten fertigen Worte gelegt hat, der gewinnt. Auch wenn beide Spieler die gleichen Buchstaben in das Raster legen, so ist das Ergebnis meist absolut unterschiedlich.

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Beim Friedensseminar ist genau umgekehrt. Dessen Aufgabe besteht nun darin bei Erhalt ihrer Vielfalt und unterschiedlichen Charaktere, auf ein gemeinsames Ergebnis zu kommen. Es gilt ein Ziel zu finden, welches es Außenstehenden leichter macht neu hinzu zu kommen, denn nur so wird es einen ähnlich idealistischen und etwas verrückten bunten Haufen auch in 40 Jahren noch geben.

Autor: Geis





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