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Vom Vater zum Sohn zur Tochter

NACHGEMACHT - Spielekopien aus der DDR: Scrabble - Vom Vater zum Sohn zur Tochter

SCRABBLE

Es gibt Geschichten, deren Bedeutung man erst erkennt, nachdem diese scheinbar schon seit vielen Jahren abgeschlossen sind. Als Kathrin Brüsewitz sich vor einiger Zeit ein Scrabble Spiel kaufte, ging damit eine über 50 Jahre andauernde Geschichte zu Ende. Ein ganz persönlicher Artikel...



Kathrin Brüsewitz ist Mitte zwanzig und angehende Lehrerin in Dresden. Als sie von NACHGEMACHT hörte, erinnerte sie sich sofort an die Scrabblespiele ihrer Familie. Bereits ihr Vater, Martin Wernike, und ihr Großvater, Richard Wernike, spielten Scrabble zu DDR-Zeiten. Damals gab es dieses Spiel nicht einfach im Laden zu kaufen und so wurde Opa Richard Wernike kreativ und bastelte sich in den 1960er eines selbst und in den 1980ern noch eins für den Sohn. Kathrin befragte ihren Vater, der ihr die Geschichte der Kopien aufschrieb. Wir freuen uns diese Zeilen hier veröffentlichen zu dürfen:
 
Mein Vater Richard Wernike
 
Mein Vater Richard Wernike wurde 1928 in Mieste in der Altmark geboren. Er hatte zwei ältere Schwestern Lotte und Gisela. Schon als Kind war er technikinteressiert und wollte nach der Schulausbildung Feinmechaniker werden. In den 30er Jahren war das der Beruf mit Zukunft. Sein Vater war Anstreicher, also Maler, und aus finanziellen Gründen erlernte er dann denselben Beruf. 

Auf Grund seiner Fähigkeiten, seines Talents, malerisch wie künstlerisch, und seines Eifers während der Berufsausbildung war er seitens der Ausbilder für einen weiterführenden Bildungsweg vorgesehen. Der Krieg brach diese Entwicklung jedoch ab und es kam alles anders. Anfang 1945 wurde er als 17-jähriger von der Wehrmacht eingezogen und an die Front geschickt. Es folgte die Gefangennahme und russische Kriegsgefangenschaft bis 1951. Als Folge des sowjetischen Arbeitslagers desillusioniert, lehnte er die herrschenden politischen Verhältnisse mit der dazugehörigen Propaganda der DDR ab; auch weil er die „andere Seite Deutschlands“ kennen lernte, denn seine Schwester Gisela heiratete in den frühen 50er Jahren und zog nach Hessen. Solange es möglich war, besuchte mein Vater regelmäßig seine Schwester im Westen. 
 
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Scrabble #1: „Gute Erziehung und Allgemeinbildung“
 
Bei den Besuchen in Hessen spielten sie auch Scrabble und mein Vater lernte das Gesellschaftsspiel so kennen. Mit seiner Heirat und Familiengründung im Jahr 1956 und der Geburt von drei Kindern, wurde viel Zeit innerhalb unserer Familie mit Spielen verbracht. Die bekannten Spiele waren zu großem Anteil Glücks- und Würfelspiele ohne anspruchsvollen Hintergrund. Neben Kartenspielen, wie zum Beispiel Rommé und Brettspielen, wie Schach, Mühle und Dame, fehlte ein Familienspiel das allen Spaß machte und bei dem man auch etwas lernen konnte. Der Wunsch meiner Eltern war nämlich groß, dass wir drei Kinder studieren können, da es ihnen in ihrer Jugend nicht möglich war. 

Mein Vater baute das Scrabblespiel in den frühen 60er Jahren nach, so wie er es kannte. Damals konnten DDR-Bürger das Spiel nicht im Westen kaufen und im Osten wurde es auch nicht hergestellt. An Spielnachmittagen und -abenden in der Familie wurden nun auch immer ein paar Runden Scrabble gespielt. Seitdem verbinde ich das gemeinsame Scrabblespielen mit einer guten Erziehung und Allgemeinbildung. Meine jüngere Schwester Dorothea, mein jüngerer Bruder Norbert und ich haben studiert und der Wunsch meiner Eltern ist damit in Erfüllung gegangen. Das Spiel aus den 60er Jahren blieb mit dem Tod meiner Eltern in dem Haus in Mieste und mit der Haushaltsauflösung vor fünf Jahren nahm es mein Bruder Norbert zu sich.

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Scrabble #2 und #3: Vor der Wende, nach der Wende
 
1982 heiratete ich und wünschte mir für meine zukünftige Familie ein eigenes Scrabblespiel. Weil mein Vater über die Jahre hinweg auch als Hobby gern handwerklich und künstlerisch arbeitete und mir eine Freude machen wollte, baute er mir 1983 ein Spiel entsprechend der Familienversion nach. Er nahm nur einige Verbesserungen vor, zum Beispiel hat meine Version kleine Füße an den Bänken. So habe auch ich mit meiner Frau und meinen Kindern Christian, Kathrin und Andreas häufig Scrabble gespielt, wobei besonders Kathrin und Christian Freude daran hatten. Nach der Heirat meiner Tochter im Jahr 2011 war es wiederum Scrabble, welches sich das junge Ehepaar, auf Drängen von Kathrin, als erstes Brettspiel gemeinsam gekauft hat.

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Wir trafen Kathrin im letzten Jahr im Deutschen SPIELEmuseum in Chemnitz und befragten sie noch einmal persönlich zur Geschichte ihrer Familie. Das kurze Videointerview könnt ihr hier sehen. 


Autor: Geis







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